Wer mit Wölfen wandert, kann mehr erleben.

Der Winter liegt in seinen letzten Zügen, und wir sind diesmal auf dem Weg in die Dolomiten. Unser Ziel: Der Karerpass am Latemar, an der Grenze zwischen Südtirol und Trentino.

Fotos & Text: Hannes Offenbacher
Hosted by: Karerhof
Driven by: BAIC Austria

Unser Basislager schlagen wir am Karerhof auf, einem kleinen Bio-Bauernhof, der mit viel Idealismus und Liebe von Christine und Bernd Pardeller geführt wird. Der kleine Hof liegt mit genügend Abstand zur Passstraße auf einer Lichtung, bevor es steil zum Latemar hochgeht. Wie eine schützende Mauer und nichts für Städter, denen schon der Semmering bei Wien zu hoch ist. 

Es gibt wenige Bergformationen, die mächtiger in den Himmel ragen als die Dolomiten. In den modernen Zimmern mit Glas von Boden bis zur Decke wirkt der Anblick surreal. Ich sitze mit meinem Kaffee vor der Scheibe und kann mich nicht sattsehen. Scheiß auf virtuelle Welten, das hier ist echte Dramatik.

Nur 6 Zimmer und feine Naturmaterialien zaubern eine besonders heimelige Atmosphäre.

Wir wollen trotz Schnees eine erste Wanderung am Pass wagen, brechen aber viel später auf als geplant, was an den selbstgebackenen Frühstückskuchen von Christine liegt. Wir sind eigentlich keine großen Frühstücker, doch hier brechen wir alle Prinzipien. Alles Bio, fast alles aus der eigenen Produktion oder von regionalen Partnern. Grandios.

Im Vergleich zum Sommer ist es gerade sehr ruhig, es sind nur wenige Menschen unterwegs. Das kleine Skigebiet ist überschaubar, für Skitouren gibt es bessere Orte in Südtirol, und so genießen wir eine unwirkliche Exklusivität, die nur von Rehen gestört wird. Oder umgekehrt. Der knöchelhohe Schnee trägt zumindest das Gewicht von Raffaela, ich arbeite zumindest den Kuchen wieder ab. Der bewölkte Himmel zaubert eine besondere Stimmung. Am Christomannos-Denkmal angekommen, genießen wir den Weitblick zu den verschiedenen Juwelen der Dolomiten, die wie schlafende Riesen in der Landschaft stehen.

Vorbei an frischen Wolfsspuren streunen wir wieder zurück nach unten, während langsam die Dämmerung einsetzt. Zum Heulen schön. 

Der Karersee zählt im Sommer zu den Hotspots des Tourismus, und gerade hier zeigte sich in den letzten Jahren, wie verletzlich dieses Ökosystem ist. Der Pass wurde im Herbst 2018 von Sturm Vaia schwer getroffen, der mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h weite Teile des umliegenden Waldes zerstörte. Zudem haben die Sturmschäden die Bedingungen für den Borkenkäfer verschärft, der nun in den betroffenen Gebieten um den Karersee vermehrt auftritt und die Bäume weiter schädigt. Ein Problem, das wir auch von Osttirol gut kennen.

 

Wenn die rasante Ausbreitung nicht gestoppt werden kann, werden viele unserer Bergregionen mit zahlreichen Herausforderungen, wie der Gefahr von Muren und Hangrutschungen zu kämpfen haben.

 

 

Bernd vom Karerhof ist nicht nur Biobauer, sondern auch der hiesige Förster und erzählt davon, dass sich durch die neuen Freiflächen auch neue Pflanzen und Blumen angesiedelt haben und es dadurch mehr Bienen gibt als früher. Vielleicht kann die Natur besser auf den Wandel reagieren können als der Mensch? Die Rückkoppelungen in einem komplexen, vernetzten Ökosystem sind jedenfalls herausfordernd. 

Wir diskutieren mit unseren Gastgebern viel über Tradition, Wandel und die Rückkehr der Nachhaltigkeit. Bernd ist ein achtsamer Beobachter, und man spürt seine Leidenschaft für die Tiere und Pflanzen. Seine Frau Christine ist ebenfalls diplomierte Landwirtin und hat sich ganz den Kräutern und der Veredelung der eigenen Produkte bis auf den Teller der Gäste verschrieben (mehr dazu im Portrait). Sie denken in wertschätzenden Kreisläufen, und wir sprechen noch lange über unser Privileg im Alpenraum, diese Qualität leben zu können.

 

 

Nach der Tour haben wir es uns vor dem Kaminofen gemütlich gemacht und freuen uns schon auf den Besuch einer kleinen, regionalen Bierbrauerei, von der wir in einer nächsten Geschichte mehr berichten (Newsletter abonnieren!). Noch genießen wir die Ruhe hier am Hof und philosophieren über die besondere Qualität der Zwischensaison, die uns immer wieder versteckte Qualitäten von Orten offenbart, die nur in der Touristen-Epoche zu entdecken sind.

 

Am Abend beginnt es stark zu schneien, und am nächsten Morgen springt uns die winterliche Pracht mit Anlauf ins Herz, und wir können nochmals die Kraft dieses Ortes aufsaugen, wie den Frühstückskuchen davor. Schon wieder.

 

Beseelt und sehr satt brechen wir auf und sind uns sicher: Wir kommen wieder.

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