Hannes: Hallo Markus, schön, dass du dir die Zeit nimmst, damit wir über unser Lieblingsthema sprechen: die Frage, was die Seele des Reisens ist, auf deren Suche wir uns mit Alpina Marina machen.
Wenn man aus Nordtirol kommt, dann fallen einem im Gardertal die vielen internationalen Gäste auf. Wir sind ja an Deutsche Gäste gewöhnt, die klar dominieren. Hier spüren wir eine stärkere Mischung. Sogar auf der Lavarella-Hütte, wo wir gestern hinauf geradelt sind, hört man viele verschiedene Sprachen. Ist das nur unsere Wahrnehmung oder ist die Region tatsächlich so international?
Markus: Zuallererst, schön, dass ihr da seid, Hannes. Es freut mich, mit dir heute über das Thema zu reden. Ich finde es extrem spannend, zu beobachten, wie sich der Tourismus entwickelt. Und was ich schon gemerkt habe, ist, dass wir eine sehr internationale Klientel haben. Wir sind jetzt gerade mal eineinhalb Jahre geöffnet und haben bereits über 80 verschiedene Nationalitäten im Haus gehabt.
Eine Nationalität überwiegt bei uns aber nach wie vor, und das ist der Italiener. Ich glaube, die Dolomiten an sich sind ein großer Attraktionspunkt, der international immer bekannter wird, was uns natürlich hilft, uns weiter zu internationalisieren.
Es geht aber auch um ein bestimmtes Mindset. Die Einstellung oder Sichtweise auf das Reisen ändert sich. Die Sehnsucht nach etwas Neuem, nach Weiterentwicklung und Lernen ist stark. Besonders bei der nächsten Generation finde ich das spannend.
Es geht nicht nur darum, den ganzen Tag im Wellnessbereich auf der Liege Tee zu trinken. Natürlich ist Wellness auch ein Trend, aber viele wollen zurückkommen und wissen, wie man vielleicht Knödel formt oder wie die Schnapsbrennerei funktioniert. Es geht um lernende Erlebnis. Gerade hier im Gardatal, wo wir Ladiner sind, ist die Kultur und die Sprache etwas Besonderes, das wir gerne mit den Gästen teilen.
Ladinisch ist eine eigenständige, rätoromanische Sprache, kein Dialekt, und das macht die Region natürlich auch spannend. Wir organisieren beispielsweise die Community Days im Oktober, bei denen es um „Travel and cultural immersion“ geht. Es ist spannend zu sehen, wie sich der Tourismus, hin zu solchen Erlebnissen entwickelt.
Hannes: Gerade auch, weil man merkt, dass der Reisende von heute viel mehr erwartet. Wir haben es schon oft besprochen: Die Leute machen nicht mehr nur einmal im Jahr Urlaub, sondern buchen immer wieder Kurzurlaube. Aber irgendwann verliert das alles an Bedeutung, wenn die Erfahrungen immer ähnlich sind.
Markus: Genau. Heute buchen viele Leute alle paar Monate mal einen Kurzurlaub. Doch irgendwann stumpft man ab. Der zwanzigste Wellnessbereich hinterlässt keinen bleibenden Eindruck mehr. Genau deshalb wollen die Leute, wie du gesagt hast, tiefer in die Region eintauchen – in die Kultur und in die Geschichten der Menschen.
Mit unserem Concierge-Service bieten wir maßgeschneiderte Erlebnisse an, die genau in diese Richtung gehen. Aber es sollte kein Pflichtprogramm sein. Wir wollen, dass unsere Gäste die Freiheit haben, zu wählen, was sie erleben möchten, und nicht unter dem Druck stehen, alles mitmachen zu müssen.
Hannes: Es gibt aber auch die andere Seite – die Instagram Hotspot- Hopper, die nur zu den bekannten Sehenswürdigkeiten gehen, ein Foto machen und gleich weiterziehen.
Markus: Das stimmt. Für uns ist es wichtig, den Gästen zu helfen, tiefere Verbindungen zu finden. Es gibt so viele tolle Plätze hier, die man entdecken kann, wenn man sich Zeit nimmt. Aber leider gibt es immer die Standardfragen: „Wo sind die Drei Zinnen?“, „Wie lange brauche ich dorthin?“ und so weiter.
Hannes: Die Leute suchen oft nach den bekannten Highlights, aber verpassen dabei all die anderen Schätze, die es zu entdecken gibt. Aber ihr habt ja, wie du schon gesagt hast, auch die Möglichkeit, den Gästen durch euren Concierge-Service dabei zu helfen, solche besonderen Erlebnisse zu finden.
Markus: Und es ist uns wichtig, dass diese Erlebnisse von einheimischen Experten gestaltet werden, die die Region wirklich kennen. Unsere Mitarbeiter, wie die Walli, gehen selbst viel in die Natur, kennen die Wanderwege und können authentisch berichten.
Es fängt schon bei der Begrüßung an. Die Rezeption kann nicht alles übernehmen, man muss im Vorfeld viel Kommunikation mit dem Gast investieren. Leider lesen viele Gäste nicht mehr die Informationen, die wir ihnen schicken. Die Fragen kommen oft trotzdem.
Es geht aber auch um die Schnelllebigkeit unserer Zeit. Viele wollen alles sofort und haben keine Geduld mehr. Wir müssen uns als Gastgeber darauf einstellen und den Gästen zeigen, dass es sich lohnt, langsamer zu reisen und das Erlebnis bewusster zu genießen.
Hannes: Und das betrifft wahrscheinlich auch die Erwartungshaltung der Gäste. Du hast ja schon gesagt, dass es manchmal schwierig ist, alle Bedürfnisse zu erfüllen, besonders bei Kurzaufenthalten.
Markus: Besonders bei Gästen, die nur eine Nacht bleiben, sind die Erwartungen oft unrealistisch. Sie wollen in dieser kurzen Zeit alles erleben, und wenn das nicht klappt, sind sie unzufrieden. Aber man kann nicht erwarten, dass alles perfekt ist, wenn man nur für 12 Stunden da ist.
Drei Nächte sind das Minimum, um wirklich etwas zu erleben und sich zu erholen. Wenn man kürzer bleibt, hat man oft das Gefühl, dass man nicht genug Zeit hat, um anzukommen und die Umgebung zu genießen.
Und es geht ja auch nicht nur um Entschleunigung. Es kann auch actionreich sein, wie bei E-Mountainbike-Touren oder anderen Abenteuer. Aber die Achtsamkeit muss immer dabei sein.
Hannes: Achtsamkeit ist der Schlüssel. Es geht nicht darum, einfach nur zu konsumieren, sondern wirklich wieder bewusster zu reisen.
Markus: Wenn die Gäste das verstehen, haben sie auch mehr Freude an ihrem Urlaub. Das ist letztlich unser Ziel: Dass sie mit tollen Erinnerungen nach Hause fahren.
Besonders bei kurzen Aufenthalten sehen wir oft das Problem, dass die Leute in der kurzen Zeit alles erleben wollen. Da gibt es Gäste, die nur eine Nacht bleiben, und dann erwarten sie, dass die Sauna auch schon am Morgen bei ihrem Check-out bereitsteht. Aber das ist unrealistisch.
Hannes: Besonders, wenn man bedenkt, dass auch bei zwei Nächten nur ein voller Tag bleibt, und wenn dieser verregnet ist, kann man kaum etwas mitnehmen.
Markus: Drei Nächte geben den Gästen die Möglichkeit, wirklich anzukommen und sich auf die Region einzulassen. Es geht nicht nur um Entschleunigung, sondern darum, seine Zeit hier bewusst zu erleben.
Hannes: Es ist spannend zu sehen, wie sich das Mindset beim Reisen verändert. Es geht, zumindest bei einer fortgeschrittenen Gruppe, nicht mehr nur um Konsum an fremden Orten, sondern um ein echtes Eintauchen in die Region. Man will etwas mitnehmen, lernen und erleben. Wir haben festgestellt, dass diese Gruppe und die Sehnsucht nach authentischen Erlebnissen wächst.
Es macht ja wenig Sinn, dass man im Urlaub nur isst, einkauft und im Zimmer die gleichen Serien schaut wie Zuhause. Dann kann man sich den Aufwand sparen und gleich im Alltag bleiben.
Markus: Genau, das ist ein wichtiger Punkt. Man kann nicht einfach das urbane Leben in den Urlaub übertragen. Es geht darum, wirklich neue Erfahrungen zu machen.
Deshalb bieten wir auch unseren Concierge-Service an, der den Gästen hilft, solche Erlebnisse zu finden. Es gibt so viele tolle Orte, die man entdecken kann, wenn man sich darauf einlässt.
Wenn ich verreise, suche ich immer nach etwas, das mich inspiriert und weiterbringt. Ich habe vor ein paar Jahren den Segelschein gemacht, und ich liebe es, zu segeln. Das ist für mich eine Art, mich komplett zu entspannen, auch wenn es dabei actionreich zugeht. Ich habe jetzt sogar das Glück, bei Regatten mitsegeln zu dürfen. Da bin ich der Bugmann, und da muss ich bei der Sache sein, sonst geht der Genaker – das große Segel vorne – nicht auf, und wir können nicht weitersegeln.
Es ist spannend, weil man sich richtig auf das Abenteuer einlassen muss, man kann nicht einfach abschalten, aber gerade das ist für mich Entspannung. Gestern haben wir uns abends mit Dani Arnold darüber unterhalten. Er ist ein Speedkletterer und Extremsportler und erlebt unglaubliche Abenteuer in Island, Norwegen und Kasachstan. Er plant, in die kälteren Regionen zurückzukehren, und da habe ich ihm gesagt, wenn er noch jemanden für sein Team braucht, der mitfährt, bin ich sofort dabei. Solche Reisen, bei denen man nicht genau weiß, was einen erwartet, finde ich unglaublich spannend.
Wenn ich aber einfach nur ein paar Tage entspannen will, reicht mir auch ein einfacher Strandurlaub am Gardasee. Es muss nicht immer etwas Exotisches sein. Das Wichtigste für mich ist, dass ich irgendwo in der Natur bin, mit einem guten Glas Wein und ich mein Smartphone in den Flugmodus schalten kann.
Hannes: Das klingt wirklich nach einem spannenden Mix aus Abenteuern und Entspannung. Wir haben gestern ja auch darüber gesprochen, wie einfach das Reisen heute geworden ist – man kann überallhin fliegen, und es gibt so viele Möglichkeiten. Aber irgendwie scheint die Romantik des Reisens verloren zu gehen, oder?
Markus: Ja, genau. Früher war das Reisen selbst schon ein Abenteuer. Man musste 14 Züge nehmen, um von London zur Amalfiküste zu kommen, und hatte kein Smartphone oder Navi, um den Weg zu finden. Das hat das Ganze natürlich viel aufregender gemacht. Heute ist die Mobilität so einfach geworden, dass man das eigentliche Abenteuer oft vermisst.
Hannes: Ich denke, viele Menschen sehnen sich wieder nach solchen Herausforderungen, nach echten Abenteuern. Man muss sich dieses Abenteuer heute fast schon selbst schaffen, indem man besondere Missionen gestaltet. Nur essen, schlafen und konsumieren – das reicht nicht mehr.
Markus: Mein Bruder ist gerade als digitaler Nomade unterwegs, und ich sehe, wie er das Abenteuer auch auf eine neue Art lebt. Es ist ein Balanceakt zwischen Arbeit und Reisen, eine völlig andere Art, unterwegs zu sein.
Wir müssen, denke ich, zwischen Urlaub und Reisen unterscheiden. Urlaub ist Erholung, aber Reisen ist für mich immer ein Abenteuer. Mein Bruder ist jetzt mit einem Allradauto, den er über vier Jahre lang selbst umgebaut hat, in Kirgisistan unterwegs. Dort erlebt er das komplette Gegenteil vom urbanen Leben – die Natur, die Herausforderungen der Umgebung und die Begegnung mit Einheimischen.
Hannes: Reisen bedeutet für mich, dass ich mich mit etwas auseinandersetze, das mich herausfordert. Es geht darum, Dinge zu erleben, die man nicht vorhersehen kann. Und genau das ist es, was Reisen für mich so faszinierend macht.
Markus: An solche Erfahrungen reift man auch. Wenn du unterwegs bist und plötzlich eine Autopanne hast und kein Mechaniker in der Nähe ist, musst du improvisieren und Lösungen finden. Das sind die Momente, die Reisen zu einem Abenteuer machen. Urlaub hingegen ist eher dafür da, sich von diesen Abenteuern zu erholen.
Hannes: Und jetzt bin ich neugierig: Welches Auto fährt dein Bruder da? Wenn ich an einen Allrad denke und wir sind in Italien, sage ich spontan: Das muss ein 4×4 Panda sein, oder?
Markus: Lustigerweise haben sie ihm tatsächlich mal den Panda empfohlen! Aber nein, er fährt einen Toyota Land Cruiser. In der Familie haben wir aber tatsächlich drei 4×4 Pandas. Vielleicht ein nächstes Projekt – vier Pandas aus Südtirol in die Mongolei fahren, so eine richtige Rallye.
Hannes: Das wäre wirklich eine reizvolle Reise. Wir wären auf jeden Fall dabei.
Markus: Vielleicht machen wir das wirklich mal. Auf jeden Fall hat es Spaß gemacht, mit dir zu quatschen, Hannes. Vielen Dank, auch an Raffaela!
Als die Arbeit erkannte, dass sie sich in Urlaub verliebt hatte, verließ sie aufgeregt das Büro und fuhr in die Berge. Das Ama Stay.