Zum Ort: „… keinen EURO würde ich dort investieren …“ Zur Idee: “… du hast dir wohl den Hausverstand wegstudiert …“ Kommentare solchermaßen, noch dazu von den erfolgreichsten Touristikern des Landes, klingen stark nach UFP, einer Unique Failing Proposition. Nun gibt es jene Spezies Mensch, deren Energielevel potenziell zum Widerstand steigt – irgendwie ein in Tirol durchaus verbreiteter Typus, gesegnet mit epigenetischer Bauernsturheit, allerdings nicht bewahrend, sondern hin zum Neuen. Und so gab es keinen Zweifel, dieser Ort polarisiert, diese Idee emotionalisiert und beides zusammengenommen ergibt einen brauchbaren USP: einen Zufluchtsort für „Neues Arbeiten“ in den Alpen, ausgerechnet in einem aufgelassenen Bauernhof, ausgerechnet im beschaulichen Steinberg am Rofan, nach touristischer Bemessung ein Tiroler Nicht-Ort.

Klar, auf dem Weg vom Leerstand zum hippen Community-Retreat gab es auch Verbündete. Im fernen Wien, dort wo die urbanen Kreativmilieus längst schon leere Fabriken für Co-Working besiedelt hatten, verstand die ministerielle Jury sofort, dass ein Angebot in den Bergen durchaus zum „Leuchtturmprojekt für Tourismusinnovationen“ taugt. Das Land unterstützte den Förderantrag, ohne zu zögern. Gegen Geld von den Großkopferten gab es seit Wallis Zeiten keine Einwände mehr. Auch die Dorfgrößen waren sich einig: Fiese Aliens hatten nämlich einen 800 Jahre alten Gasthof aus der Dorfmitte gebeamt und selbiges Schicksal wollte man dem angrenzenden Mesnerhof-Ensemble, wenn auch nur halb so alt, nun doch ersparen. 

Die Widmungs- und Bauverfahren wurden schnell, pragmatisch und wirklich im besten Sinne eines Bürgerservices abgewickelt. Sogar die vermeintlich (!) natürlichen Feinde eines jeden Gründers und Sanierers – die Gewerbebehörde und der Brandschutz – beließen dem innovativen Raum- & Servicekonzept seine Kanten. Eine regionale Bank, die #andichglaubt, braucht es dann ebenso wie Frau, Familie und weitere Fs, die nicht zuletzt im Rahmen der Crowdfunding-Kampagne „Save the Heustadl“ finanzielle Unterstützung boten. 30 Design-StudentInnen lieferten Entwürfe für ein Berglager des 21. Jahrhunderts und nachdem neben Planern, Gewerken, Nachbarn noch viele weitere Helfer im Großen wie im Kleinen aufzuzählen wären, folgt zwangsläufig die Erkenntnis, dass das Neue erstaunlich viele Mitmacher motiviert, während wenige Miesschlümpfe sich zu schattenwerfenden Monstern aufplustern.

 

Nun steht er also noch da, der 400 Jahre alte Mesnerhof, lediglich um ein C für Community erweitert und ausgezeichnet mit dem „New Work Award 2019“ in Hamburg, in der Elbphilharmonie, vor 3000 Leuten. 

Konzipiert als leistbare Workshop-Destination für Startups und Social Entrepreneure geben sich am Mesnerhof-C zur Überraschung auch Corps wie Airbus, Airbnb, BMW, Google sowie zahlreiche Mittelständler die Tennentür in die Hand … Hey! Wir reden von einem Bergdörfchen am Ende der Welt, mit 2 Schleppliften, ohne Nahversorger, auf Basis Selbstversorgung also. Wer einen Aufenthalt organisiert, bekommt zwar eine Liste mit Dienstleistern aus der Region in die Hand – vom Eierbauern bis zum Mietkoch, vom Wanderführer bis zur agilen Design-Thinking-Bude. Ansonsten allerdings beziehen auch CEOs ihre Betten selbst, tun sich ehrgeizig beim Gemüseschnipseln in der Co-Kitchen hervor und fügen sich dem bergtypischen Spin eines hierarchielosen Zusammenseins. Narzisstisch aufgeladenes Well- und Selfnessen ist woanders, unser Credo heißt #alpineTogetherness. Also passt nicht jeder zum Mesnerhof-C, der Sofort-buchen-Button ist deaktiviert. Nur wer glaubhaft die Community-Rules versteht, erhält Zugang zu den begehrten Wochenenden für Slow-Events, DIY-Weddings oder Yoga-Retreats. 

Was wurde nach zwei Betriebsjahren erreicht? Zuvorderst der Erhalt alpiner Baukultur, dann ein Nächtigungsplus von ca. 40 % in der Gemeinde sowie neue Arbeitsplätze, Buchungsvorlaufzeiten bis zu einem Jahr und vor allem eines: ein funktionierender Prototyp, der den Potenzialraum „Land“ in den Innovationsprozess von Unternehmen eingliedert und generell den Lifestyle-Trend New Work touristisch verarbeitet. 

Es hat dann auch nicht lange gedauert, bis sich weitere vom Thema beseelte Evangelisten fanden und aktuell die frohe Botschaft „Coworkation Alps“ länderübergreifend verkünden (bitte googeln). Für uns am Mesnerhof ist es an der Zeit, bereits die nächste Unique Failing Proposition anzufixen. Schließlich warten noch zwei leerstehende Zuhäuser auf das Neue … und Miesschlümpfe auf Futter.

Fotos: Harald Eisenberger, Werner Neururer

Über den Autor

Georg Gasteiger

Georg Gasteiger betreibt den Mesnerhof-C in Steinberg am Rofan. Das Studium führte den Bauernsohn nach Wien, wo er u. a. für Banken sowie Medienunternehmen arbeitete, zuletzt als Head of Creative Industries & Innovation in der Förderbank aws. Er ist zertifizierter Sensenmähtrainer. Im März 2019 wurde Gasteiger zum New Worker des Jahres gewählt.

 

www.mesnerhof-c.at

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